Wissenschaftliche Beilage
zu dem
Vorlesungsverzeichniss
der Universität Greifswald
für das
Wintersemester 1900/1901.

Zur Charakteristik der Cirkumcellionen

des 4. u. 5. Jahrhunderts in Afrika.

Von

D. M. von Nathusius.

Greifswald.
Druck von Julius Abel.
1900.

Dass bei den erbitterten Kämpfen zwischen den Donatisten und Katholikern in Afrika sich möglicher Weise ganz andere, nicht religiöse Interessen eingedrängt haben, ist eine Vermuthung, die jedem aufsteigen wird, der sich mit den Quellen zu beschäftigen anfängt. Die sozialen Yerhältnisse waren so abnorm, wie kaum in einer zweiten römischen Provinz. Mit denselben waren nationale und sprachliche Unterschiede verbunden, wie sie gleichfalls damals ihres Gleichen suchten. Sollten nicht diese complicierten Yerhältnisse auf die religiösen Gegensätze mit eingewirkt haben und so die Erklärung bilden für die lange Dauer und die Bitterkeit der kirchlichen Parteikämpfe? In der That ist die Ansicht ausgesprochen, dass der donatistischen Spaltung bald ein nationales Element sich beigemischt haba. Döllinger sagt: „Diese Losreissung von der Kirche und ihrem Mittelpunkt zu Eom, die sich in Nordafrika vollzogen, von der ganzen übrigen christlichen Welt aber zurückgewiesen wurde, war ein Auflodern des nordafrikanischen Volksgeistes, der sich eine eigene reine Landeskirche im Gegensatz gegen die übrigen, angeblich unrein gewordenen und abgefallenen Kirchen einrichten wollte.”) Er weist auf die nationale koptische Kirchenbildung und auf ähnliche Vorgänge in Armenien hin. — Auch Hase sagt: „Der Donatismus ist der letzte grosse Versuch der Kirche, ihr Ideal christlicher Vollkommenheit durch unerbittliche Ausstossung alles Unreinen ohne Weiteres zu verwirklichen, dem Ursprung und Charakter nach der Zeit des Märtyrertums noch augehörig, doch erst in dieser Periode entwickelt, ein Novatianismus, der politisch geworden, die alte Abneigung des afrikanischen Volksstammes gegen den römischen Staat zum Ausdruck gebracht hat.”) — Dass aber auch soziale Erregungen in die Donatistischen Kämpfe mit hineinspielen, ist angesichts der Aussagen des Optatus und Augustinus über das Grebahren der Cirkumcellionen gegenüber den Herren und den Gläubigern ausser Zweifel. Es fragt sich nur, in welchem Maasse durch diese Nebeneinflüsse die ganze Bewegung, von der wir reden, bestimmt ist.